Registervariation

Registervariation im Althochdeutschen

Dissertationsprojekt Gohar Schnelle, MA (Humboldt-Universität zu Berlin)

Das Dissertationsprojekt „Registervariation im Althochdeutschen“ hat zum Ziel, den situativ-funktionalen außersprachlichen Kontext als Faktor für Variation in der althochdeutschen Sprachstufe zu untersuchen. Register werden definiert als Varietäten die mit einer bestimmten Kommunikationssituation korrelieren. Das Registerinventar, also die Anzahl der Kommunikationssituationen, die mit Varietäten korrelieren, sowie die Verknüpfungskonstellationen sind sprachspezifisch und stark kulturell beeinträchtigt. Das Althochdeutsche stellt in dieser Hinsicht eine große Herausforderung dar, weil weder eine Beschreibung einzelner situativer Varietäten vorliegt, noch ohne weiteres eine Hypothese über Varietäten selegierende Kommunikationssituationen aufgestellt werden kann. Ein Schwerpunkt des Projekts ist somit notwendigerweise ein explorativ-methodischer.

Datengrundlage ist das tiefenannotierte Referenzkorpus Altdeutsch, das über die Such- und Visualisierungsplattform ANNIS systematisch durchsuchbar und verarbeitbar ist. Als methodisch sinnvolles Explorationskorpus wurde die Evangelienharmonie Otfrids von Weißenburg ausgewählt. Dieses Subkorpus ist in Bezug auf die Faktoren Autor, Zeit und Dialekt konstant und verfügt über Kapiteleinteilungen, die vom Autor selbst in kategorisierbaren Überschriften überschrieben wurden.

Die Arbeit ist in drei Hauptteile gegliedert:

  1. Methodischer Teil: Wie kann man korpusbasiert und quantitativ ermitteln, welche althochdeutschen Varietäten mit welchen situativ-funktionalen außersprachlichen Kontexten korrelieren?
  2. Registerdefinition und Beschreibung: Die in Schritt 1 ermittelten registerkonstituierenden sprachlichen Merkmale des Althochdeutschen werden nun verwendet, um einzelne Texte einer Varietät zuzuweisen. Die Quantität von Bündeln sprachlicher Merkmale wird hier als Attribut eines Textes gesehen. Das ermittelte Registerinventar wird im gesamten Referenzkorpus annotiert.
  3. Registervariation: Variationistische Untersuchung ausgewählter althochdeutscher Phänomene.

Besondere Herausforderungen des Projektes sind zudem der schwer überprüfbare Einfluss lateinischer Varietäten und die funktionale Beeinflussung durch literarische Konzipierungen.

Pilotstudie

Adpositionenprofil In einer Pilotstudie haben sich anhand der Evangelienharmonie Hinweise für mindestens zwei kontrastierende Register des Althochdeutschen herauskristallisiert: die Narration und das Gebet. Die Abbildung zeigt exemplarisch, wie sich dir Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Registern anhand der relativen Quantität einzelner sprachlicher Merkmale zeigen kann. Geplottet wurden die Merkmale „finites Verb im Präteritum“ und „finites Verb in der dritten Person“, die als prototypische narrative Merkmale gelten. Ein Punkt steht für einen Text der Evangelienharmonie, die Färbung gibt die Überschriftenkategorie des Autors wieder. Es ist ein deutliches Cluster narrativer Texte im oberen Bereich der relativen Vorkommen beider Merkmale zu erkennen. Komplementär dazu erkennt man vier Texte (grüner, schwarzer, gelber und violetter Punkt) im unteren relativen Bereich beider Merkmale. Qualitative Analysen haben ergeben, dass es sich bei diesen vier Texten um Gebete oder um einem Gebet ähnliche Texte (Bitte an Gläubige) handelt.